Die Dosis macht’s

Zu viel oder zu wenig? Die Frage aller Fragen, wenn es ums Sportliche Training geht. Denn auf die richtige Dosierung kommt es an. Läuferinnen und Läufer sollten vor allem ihren Körper und ihre gesamten individuellen Ressourcen nicht überstrapazieren.

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei”, so wird der 1541 in Salzburg verstorbene Arzt Paracelsus zitiert. Auf den heutigen Sport übersetzt, kann man sagen „jede Belastung ist Gift, allein die richtige individuelle Beanspruchung macht’s, dass ein regelmäßiges Training zum gewünschten Erfolg führt”.

Wenn ein Spitzenathlet wie der Leoganger Peter Herzog in seiner Vorbereitung auf Marathons wöchentliche Läufumfänge von über 200 Kilometer vorweisen kann, dann mag das für seine hohen Ambitionen sprechen. Für uns Hobbysportler ist dieser Umfang vergleichsweise schon mit dem Rad eine enorme Herausforderung. Es ist natürlich die richtige Dosis, die beim Sport über die Wirkung entscheidet. Sport macht fit, Sport hält gesund, Sport stärkt Körper und Geist – niemand mag daran zweifeln. Leider gibt es aber auch viele andere Fälle. Falscher Ehrgeiz, Übereifer und Übertraining sind im Freizeitsport ein großes Thema. Oft sind enthusiastische Hobbysportler gesundheitlich stärker gefährdet als Athletinnen und Athleten, die über ein professionelles Umfeld verfügen.

Um die persönliche Leistungsfähigkeit möglichst gut angepasst zu erhöhen, sind ein paar Spielregeln zu beachten. Nützlich ist diesbezüglich ein 4-Phasen-Modell:

Trainier häufiger!
Wer einmal pro Woche oder noch gar nicht läuft, erreicht mit einer Erhöhung der Trainingseinheiten auf zwei schon sehr viel. Gehst du bisher zweimal die Woche laufen, so steigerst du langsam auf drei bis vier Einheiten. Du wirst verblüfft sein, wie sich schon allein dadurch deine Leistungsfähigkeit entwickelt.

Erst dann verlängerst du deine Trainingseinheiten!
Nach der Steigerung der Häufigkeit folgt die Erhöhung des Umfangs und damit eine Verlängerung der Trainingseinheiten. Sind deine Laufeinheiten bisher immer um die dreißig Minuten, so steigerst du zumindest zwei der vier Einheiten langsam auf eine Dreiviertelstunde und Stunde.

Verkürz die Abstände!
Als nächstes verkürzt du die Pausen zwischen deinen Einheiten. Machst du also bisher jedes Mal zwei Tage Pause, so wird es zukünftig nur ein Tag sein. Oder du läufst einmal zwei Tage hintereinander. Dann geht dein Körper mit einer gewissen Vorermüdung in die nächste Einheit.

Erst in Phase 4 steigerst du das Tempo.
Fälschlicherweise wird der letzte Schritt oft an den Anfang gestellt. Aber erst aufgrund einer soliden, ruhigen Basis soll die Intensität bzw. das Tempo bewusst erhöht werden. So schaffst du es, neben einem vernünftigen Aufbau mit einer verringerten Verletzungsanfälligkeit durch deinen Trainingsaufbau zu kommen.

Natürlich sind flotte Einheiten das Salz in der Suppe, sie bringen den Feinschliff für die sportliche Form. Aber zuerst bringen dich moderate Belastungsformen weiter. Leider klaffen zwischen dem subjektiven Empfinden von Läuferinnen und Läufern und der tatsächlichen Beanspruchung oft Welten. In meiner jahrzehntelangen Praxis als Trainer sehe ich immer wieder, dass ein Großteil der Freizeitsportler übertreibt. Du auch? Deutliche Anzeichen dafür sind immer wiederkehrende Schmerzen nach dem Laufen, Heißhunger auf Süßes, häufige Infekte, ein erhöhter Ruhepuls und zu einzelnen Trainings kann man sich nur mühsam aufraffen. Wer sich daher einem vernünftigen Trainingsaufbau zuwenden will, kommt um einen Leistungs-Check-up nicht umhin.

Im Institut für Sportmedizin des Landes Salzburg findest du die entsprechenden Experten. Dort geht es zunächst gar nicht um „Leistung”. Die Untersuchung gleicht einer allgemeinen gesundheitlichen Überprüfung. Das ist auch der Grund, warum eine Leistungsdiagnostik laut Professor Josef Niebauer für jede Sportlerin und jeden Sportler sinnvoll ist – ganz unabhängig von den jeweiligen Ambitionen. Denn erst nach der Anamnese, dem Arztgespräch und einer internistischen wie orthopädischen Untersuchung wartet der eigentliche Fitness-Check auf dich.

Wenn der Laktatstufentest auf dem Ergometer ansteht, wird es sportlich. Wie Dozent Mahdi Sareban vom Salzburger Institut immer wieder anmerkt, braucht es dazu gut standardisierte Rahmenbedingungen. So ein verlässliches Testverfahren ist die Basis für spätere Trainingsempfehlungen. Vereinfacht ausgedrückt produzieren die Muskeln in Abhängigkeit von persönlicher Veranlagung und Trainingszustand bei ansteigender Beanspruchung zunehmend Laktat, das sie ins Blut abgeben. Entscheidend ist nun jener Bereich, an dem sich Neubildung und Verarbeitung von Laktat die Waage halten. Dies kann als Individuelle Aerob-Anaerobe Schwelle (IAAS) bezeichnet werden. Damit lassen sich die unterschiedlich wirkenden Trainingsbereiche darstellen.

Sinnvolles Training sollte persönlich zugeschnitten sein, am besten auf Basis einer Leistungsdiagnostik. Nach heutigem Kenntnisstand sollten intensivere Anteile – bei etwa drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche – fünf bis fünfzehn Prozent des Gesamtumfangs ausmachen. Besonders effektiv ist das Training bei etwa 80 bis 85 Prozent der Intensität an der IAAS. 60 bis 80 Prozent Ihrer Aktivität sollte sich in diesem Bereich abspielen. Es geht nicht darum, möglichst langsam zu laufen, sondern für sich den richtigen Mix zu finden. Dazu gehört auch Zeit zur Regeneration, denn die Leistungssteigerung erfolgt nicht beim Training, sondern durch Anpassungsvorgänge danach.

Training muss nicht gleich Gift sein, wie es Paracelsus ausdrückte, aber Training bedeutet tatsächlich Stress. Und um diesen möglichst optimal in eine verbesserte Leistungsfähigkeit umzulegen, braucht es die richtige individuelle Dosis – denn „allein die Dosis macht’s”.

Dieser Artikel von RunAustria-Headcoach und Marathon-Veranstalter Johannes Langer erschien am 3. März 2023 in der SN-Beilage „Startklar“.